Feuer und Wind by Larissa Brown

Feuer und Wind by Larissa Brown

Autor:Larissa Brown
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: Bastei Lübbe AG
veröffentlicht: 2016-09-04T22:00:00+00:00


NÄCHTLICHES SKIFAHREN

Zuerst lenkten wir Frauen uns damit ab, dass wir die Teller und das Nähzeug von hier nach da schoben und so taten, als sei nichts geschehen. Solange wir einander nicht ansahen, bemerkten wir nicht die Fragen in unseren Blicken. Wie lange es dauern mochte, bis sie zurückkehrten. Ob überhaupt jemand zurückkommen würde. Allerdings ging uns schon bald die Arbeit aus, und wir fingen doch an, uns anzusehen und stumme, zögernde Fragen zu stellen. Wird dein Mann zurückkehren? Und deiner? Ich dachte auch darüber nach, wie viele Schafe wohl gerettet werden würden. Vielleicht genügend. Mit Heirik. Er würde sie nach Hause bringen.

Die Stille verwirrte die Kinder, und wir kümmerten uns um sie, nahmen die Kleinsten auf die Arme und gingen mit ihnen umher. Ich hatte Lotta auf dem Arm und drückte ihren Kopf an meine Schulter. Sie war schwer, fast zu schwer, und schließlich setzte ich mich mit ihr auf die Bank beim Brettspiel und zeigte ihr all die kleinen Figuren, murmelte dumme Dinge darüber, was die kleinen Männer darstellten.

Schon bald saßen wir beim Feuer und schwiegen; uns ging die Kraft aus, uns noch etwas vorzumachen.

Haukur kehrte als Erster zurück; in seinen Armen hielt er ein sicher zweihundert Pfund schweres Schaf; es sah aus, als würde er eine Braut tragen. Magnus war bei ihm und hielt ihm die Tür auf. Das Schaf wurde beim Herzstein auf den Boden hinuntergelassen. Im ersten Moment wirkte es, als wäre es bereits so gut wie tot, denn die Augen waren fast vollständig von Schnee bedeckt, und es schien sich kein Leben in dem Tier zu regen. Aber dann rührte es sich doch und blökte schwach.

Hár kam als Nächster; er trug ebenfalls ein großes Tier in den Armen. Nach ihm stolperten die anderen Männer ins Haus. Zwei Schafe waren gerettet und alle Männer wieder zurück. Bis auf einen.

Das Getöse, das die Männer und Schafe veranstalteten, verstummte irgendwann wieder, und eine schreckliche Stille kehrte ein. Heirik würde nicht zurückkommen. Niemand sprach es aus, aber es war schon zu viel Zeit verstrichen. Zu benommen, um etwas zu sagen, begann die Sippe, sich zu beschäftigen. Dalla kümmerte sich um ihren Ehemann, Thora um ihren Bruder und ihren Vater – obwohl die Männer versuchten, die Frauen abzuwimmeln. Andere machten sich daran, die Schafe sauber zu machen; dann band Hildur sie am Ende des großen Raums fest. Die Kinder wurden von ihnen angelockt. Lotta hielt ihnen etwas vors Gesicht, versuchte, sie zu füttern, und ich sah ihr gerührt zu, während ich mich bemühte, die wachsende Panik in meinen Eingeweiden zu ignorieren. Ich zählte die einzelnen Flechtstufen in ihren kleinen Zöpfen. Fing von vorn an.

Einige der anderen musterten mich, und in ihren Blicken sah ich die unerwartete, halbherzige Anerkennung, dass Heirik mir etwas bedeutete. Zu wenig, dachte ich, zu spät.

Betta sah Hár unverhohlen an, vergrub die Hände in ihrem Kleid. Sie konnte nicht einfach zu ihm gehen und ihm das kalte Wasser und die Sorge von der Stirn wischen. Stattdessen nahm sie meine Hand und sah auf unsere verschränkten Finger. Ich ertrug diese Freundlichkeit nicht.



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